Test Garmin zumo 660 — Teil 2

Liebe Freunde,

im letzten Artikel hatte ich über die Gründe der Auswahl des Garmin zumo 660 als Navigationsgerät erklärt und über die Hardware berichtet.
In diesem Artikel soll es nun um die Bedienung des Geräts, Einsatzmöglichkeiten, motorradspezifische Funktionen, die Routenplanung on- und off-board und um die gelieferte Software gehen. Hardwareseitig hatte mir der zumo 660 von Anfang an sehr gut gefallen. Kann er diesen Eindruck im Praxistest aufrecht erhalten?

Bedienung, Benutzeroberfläche

Was zunächst auffällt, ist ein einfaches Menü mit großen Symbolen, das ganz offensichtlich für die Benutzung mit dem Motorradhandschuh geschaffen wurde. Der erste Eindruck ist: „Aha, ein einfach zu bedienendes System, bei dem die wesentlichen Optionen direkt zugreifbar sind.“ Bereits nach ersten Bedienversuchen stellt man jedoch fest, dass Standardfunktionen wie Adresseingabe anders als in den meisten Navigationssystemen implementiert sind. So muss man sich früh entscheiden, ob man eine komplette Adresse oder ein Stadtzentrum oder gar einen POI (point of interest) ansteuern will. Eine Eingabe des Städtenamens und eine automatische Vervollständigung, wie es eigentlich bei vielen Systemen heute Standard ist, fehlen. Versucht man z.B. POIs nahe eines Zielpunktes zu finden, stellt man schnell fest, dass die Bedienung alles andere als intuitiv ist. Alles in allem: Bedienkomfort mangelhaft.

Kartengrafik

Nun gut, über Geschmack lässt sich streiten, aber wenn ein Verkäufer schon damit wirbt, dass „der hohe Farbkontrast insbesondere von älteren Personen wegen der besseren Übersichtlichkeit geschätzt wird“, dann frage ich mich doch, ob ich noch zu jung für das grelle, nicht besonders stylische Design bin. Schick ist meines Erachtens etwas anderes. Auch die grobe breite orange Route kann auf der Karte mitunter kleine Kreuzungen und neben der Route parallel laufende Nebenstraßen verdecken. Okay, die 2,5-D-Straßenansicht ist sonst übersichtlich und erfüllt ihren Zweck. Auch wirbt man mit 3D-Gebäuden. Aber wer braucht das schon beim Endurofahren? Auch hier: schnell implemetiert und alles andere als Schick. Wollte ich in München durch die Fußgängerzone fahren, würde ich die Frauenkirche als 3D-Klotz am Navi sehen…

Die Grafik aktualisiert sich während der Fahrt zügig, was der Normalfall sein sollte. Es gibt aber immer wieder Situationen, in denen sich der zumo 660 eine Denkpause gönnt. Lädt er hier Kartenmaterial nach? Rechnet er Alternativen im Hintergrund? Der Benutzer erfährt es nicht, wird aber von Zeit zu Zeit für mehrere Sekunden alleine gelassen. Normalerweise kein Problem, kann man so an Kreuzungen schon ins Stocken kommen.

Routenplanung on-board — Das schwärzeste Kapitel für den zumo 660

Als Endurofahrer wird man zunächst einige Routingoptionen ändern: Autobahnen verbieten, unbefestigte Straßen zulassen. Wir fahren viel in den Alpen: viele kleine Straßen, häufig Sackgassen.

Die Routenberechnung erlaubt zwischen kürzester Strecke, schnellster Strecke und Luftlinie zu unterscheiden. Die zusätzliche Option „ohne Autobahnen“ ist gut, wenn man Autobahnen nicht ohnehin schon ausgeschlossen hat. Leider ist die kürzeste Route nicht immer kürzer als z.B. die schnellste. Eine gewisse Unsicherheit bleibt daher bei der Routenberechnung. Die Berechnung ist meist zügig genug, bei langen Routen aber alles andere als schnell. Beim Berechnungstempo hat so mancher Konkurrent die Nase vorn. Größtes Problem jedoch ist die interne Speicherverwaltung.

Der zumo 660 kann nur eine begrenzte Zahl von Abbiegestellen in seinem internen Speicher laden. Benötigt eine Strecke mehr, so wird man aufgefordert, schon mal grob in die Richtung loszufahren, der zumo würde dann schon weiter rechnen. Das gilt auch für Routen, die man auf dem PC berechnet hat. Sollten diese zu viele Abbiegestellen aufweisen, muss man sie händisch(!) in Teilrouten unterteilen, da sonst der zumo 660 nicht damit umgehen kann. Ähnliches gilt für die Zahl der auf dem Gerät speicherbaren Routen. Bei 20 Routen ist Schluss und man muss zunächst Routen löschen, bevor neue angenommen werden. Unglaublich, eigentlich ein k.o-Kriterium für ein Navigationssystem. Ich sollte noch ergänzend sagen, dass ich eine 16 GByte SD-Karte eingesetzt habe, doch dieser Speicher wird für diese Funktionen nicht genutzt. Bei PKW-Navigation über Autobahn treten solche Probleme selten auf, da nicht so viele Abbiegestellen auftreten. Mit dem Motorrad in den Westalpen kann da aber schon nach 250 km Schluss sein.

PC Planungssoftware off-board

Als PC-Planungssoftware wird Garmin Mapsource mitgeliefert. Alternativ gibt es auch die neuere Software Garmin Basecamp, die man über die Garmin Webseite kostenlos herunterladen kann. Beide Programme greifen auf die original Garminkarten zu und erlauben so die Planung am PC. Die Bedienung unterscheidet sich und ist zum Teil gewöhnungsbedürftig.
Beide Softwarepakete erlauben es, Daten vom Garmin zumo 660 zu lesen und Karten, Wegpunkte sowie am PC vorberechnete Routen auf das Gerät zu schreiben. Ich würde in jedem Fall empfehlen, die wichtigsten Wegpunkte zu übertragen, da dies Adresseingaben während der Fahrt erübrigt und somit die Bedienung mit Motorradhandschuh erheblich vereinfacht. Ob man vorberechnete Routen auf das Gerät lädt oder nicht, ist sicherlich Geschmacksache. Für eine Anfahrtsetappe kann das ja sinnvoll sein, für weitere Routen bevorzuge ich die Freiheit flexibel zu sein. Will man vorberechnete Routen auf das Garmin laden, so sollte man jedoch darauf achten, dass die Kartenversionen auf PC und zumo 660 identisch sind, sonst erfolgt eine Neuberechnung und der Vorteil einer genau vorgeplanten Routenführung ist passée. Ebenfalls muss trotz Planungssoftware auf die Zahl der Abbiegepunkte geachtet werden. Bei mehr als etwa 200 Punkten sollte man die Route aufteilen. Dies muss manuell geschehen. Hier hätte man sich ein wenig mehr Komfort gewünscht, aber offensichtlich kennt die eigene Software  die Details und Eigenarten der eigenen Geräte nicht im Detail und überlässt dieses Problem dem Benutzer.

Motorradspezifische Funktionen

Endlich, endlich kommen einige Funktionen, bei denen der Garmin zumo 660 wieder Punkte sammeln kann und bei denen Konkurrenten zum Teil nicht mithalten können.

Routenaufzeichnung

Insbesondere wer einen Blog schreibt oder auch nur Fotos geotaggen möchte, wird den Mitschrieb der gefahrenen Strecke lieben. Das können eigentlich alle Navigationssysteme, somit ist dies kein Alleinstellungsmerkmal. Im Motorradmodus zeichnet der zumo 660 immer automatisch die letzten Streckenabschnitte auf und zeigt diese als dünne türkise Linie an. Fährt man eine Schleife oder muss man zurückfahren, so erkennt man die Route direkt am Display. Läuft der interne Speicher über, d.h. wird die angezeigte Route zu lang, archiviert der zumo 660 Teilstrecken auf die Speicherkarte. Somit sollten keine Routendaten verloren gehen. Ferner kann der zumo 660 auch Höhenprofile zeichnen, was einen schönen Überblick über die gefahrene Alpenroute gibt. Hier ein Beispiel an hand der Auffahrt zum Col de Sommeiller. Entsprechend leicht lassen sich Tracks auf Google Maps einbinden.

Download: KML GPX

Tankanzeige

Fährt man eine KTM 990 Adventure, so kennt man seine Reichweite. Nach 300 km ist Schluss. Eine Tankuhr baut KTM nicht mit ein, die nützt ja nicht dem Vortrieb. „Ready to race“ ist das Firmenmotto. Nur wegen einer Tankuhr würde ich mir jedoch auch keine BMW 1200 GS kaufen… (mea culpa, liebe GS-Fahrer)

Hier kennt der Garmin ein nettes Feature. Man kann einen Reichweitenzähler definieren und nach dem Volltanken mit wenigen Klicks auf den Touchscreen zurücksetzen. Nun zählt der zumo 660 die Kilometer rückwärts und man hat einen guten Überblick, wie weit man noch reisen kann. Sehr beruhigend, wenn man am Sonntag in entlegenen Gegenden in den Westalpen unterwegs ist.

Verbleiben nur noch 50 km Reichweite, wird ein rotes Zapfsäulensymbol eingeblendet, das an das Tanken erinnert. Berührt man dieses mit dem Handschuh, zeigt der zumo alle bekannten Tankstellen in der Umgebung nach Entfernung sortiert und mit Richtungspfeil an. Eine sehr schöne Funktion, insbesondere für den KTM-Fahrer.

Nur kurz zum Kartenmaterial: In den Westalpen sind Tankstellen mitunter nicht gerade dicht gesät. Hier ist man mit Navi im Vorteil. Schaff ich es noch bis zur nächsten oder gar bis zur übernächsten Tanke? Nur leider ging es mir schon so, dass das Garmin-Gerät weit aus mehr Tankstellen kannte, als im französisch-italienischen Grenzgebiet überhaupt noch vorhanden sind. Also empfehle ich, nicht so GPS-gläubig zu sein!

Navigationseinstellungen für Motorrad und Offroad-Navigation

Der zumo 660 eignet sich nicht nur für die Straßennavigation. Selbt in offenen Gebieten wie auch abseits der Straße beherrscht der Garmin die Navigation. Einfachstes Feature im offenem Gelände ist die Luftliniennavigation. Hier wird auf einer Kompassrose die aktuelle neben der notwendigen Fahrtrichtung und die Entfernung zum nächsten Wegpunkt angezeigt. Sicher gut geeignet für eine Wüstendurchquerung. Sicher auch geeignet für Geocaching.

Darüber hinaus unterstützt der Garmin zumo meines Wissens derzeit als einziges Motorradnavigationssystem topografische Karten. Ein sehr wertvolles Feature, wenn man in den Bergen und abseits kartografierter Straßen unterwegs ist. Topografische Karten bietet Garmin direkt zum Kauf an, es können aber auch alternative, sogar frei zugängliche Karten im zumo 660 eingesetzt werden. Weitere Informationen hierzu findet ihr auch im Artikel zur Reit- und Wanderkarte.

Dokumentation

Wer sich noch ein genaueres Bild vom Gerät und ggf. des Benutzerinterfaces machen möchte, der kann zusätzlich in der Garmin Bedienungsanleitung zum zumo 660 nachlesen.

Darüber hinaus gibt es noch eine Anleitung, die von Benutzern für Benutzer des zumo 660 geschrieben wurde und recht offen auf Besonderheiten, Spezialthemen wie auch Bugs und Workarounds eingeht, die sicherlich nie in der offiziellen Anleitung stehen werden. Ihr findet diese Dokumentation des Users „SP2610Verwöhnter“ auf dem Forum Naviboard im Anhang dieses Artikels.

Fazit

Von der robusten Hardware überzeugt, aber von der Software und dem Bedienkomfort sehr enttäuscht, könnte man noch auf Softwareupdates durch die Firma Garmin hoffen. Die letzten beiden Updates hatten aber trotz vieler Mängel und Benutzerwünsche nur Marginalien adressiert. Im Garmin Deutschland Forum herrscht daher fast Einigkeit, dass man keine großen Verbesserungen von Garmin erwaten darf.

Friedbert meint, der zumo 660 hat im Softwarebereich doch zu viele Ungereimtheiten, Bedienprobleme und Bugs, als dass er ihn guten Gewissens jedem Biker empfehlen könnte. Die mangelnden Alternativen, die robuste Hardware, die Motorrad-Goodies und Zusatzfunktionen sowie die Unterstützung der Community mit freien Karten, POIs und Software machen ihn dann aber trotzdem zu einem interessanten Gerät. Schlussendlich muss jeder selbst entscheiden, was ihm an einem Navigationssystem für das Motorrad wichtig ist und ob der zumo 660 damit in Frage kommt. Ich hoffe, Euch in diesem Sinne eine Entscheidungshilfe gegeben zu haben.

Herzliche Grüße
Euer Friedbert

P.S.: Ihr wollt den zumo 660 kaufen? Dann könnt Ihr dies hier bei Friedbert tun.

 

3 Gedanken zu „Test Garmin zumo 660 — Teil 2

  1. Pingback: GPS-Motorradnavigation: Test Garmin zumo 660 | Friedberts Motorradtouren

  2. Pingback: zumo 660 Kartenupdate | Friedberts Motorradtouren

  3. Hallo Friedbert,

    habe mir deine Artikel mit genuß reingezogen. Werde mir 2013 ein navi fürs motorrad zu legen. Danke für dir nützlichen Tipps. Eine wollmilchgebende sau wird es wohl nicht geben auf dem navi für Biker. Abstriche muß mann wohl als Biker machen.

    Bis dahin .

    Jürgen aus em Norden

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