Island der erste Tag — von Þórshöfn nach Goðafoss — entlang der Wasserfälle

Liebe Leser,

wir waren nach unserer Ankunft auf Island bereits 190 km gefahren. Halb auf Asphalt, halb auf Schotter. Zu unserem ersten Quartier waren es noch gut 200 bis 250 km, je nach Route, die wir wählen werden. Wollen wir direkte Strecke fahren oder den langen Weg entlang der Küste? Frisch gestärkt und dem Rat des isländischen Transalp-Fahrer-Freundes folgend, entschieden wir uns für die Piste 864, dem Hólsfjallavegur, der von Ásbyrgi nach Süden an den bekannten Wasserfällen entlang führt und dem Unterlauf des Jökulsá á Fjöllum (auf deutsch „Gletscherfluss auf den Bergen“) folgt. Dieser entspringt am Fuß des mächtigen Vatnajökull, des größten Gletschers Islands, und mündet im Norden von Ásbyrgi ins Meer. Wir kamen am bekannten Dettifoss, dem leistungsstärksten Wasserfall Islands, am Selfoss sowie am Hafragilsfoss vorbei, um am Abend des selben Tages am Goðafoss, dem vierten großen Wasserfall dieser Tour, Quartier zu beziehen.

Norðausturvegur

Von Þórshöfn aus ging es zunächst auf Asphalt, später auf einer Schotterpiste entlang der 85 immer in westlicher Richtung an der Küste entlang. Langsam bekamen wir ein Gefühl für die Weite des Landes. Zu Hause im Wohnzimmer auf der Topokarte wirkte alles ein wenig klein. Es sah so aus, als könne man die Insel an einem Tag umfahren. Die einsamen Gegenden in denen wir fuhren, verlangten einem aber Geduld und Geschick ab. 450 km wollen auf stets wechselnden Untergrund gefahren sein.

Ursprünglich wollten wir den Öxafjarðarheiðarvegur (Straßennummer 867) fahren, eine kleine Schotterstraße über einen Bergrücken, der einen großen Teil der Küstenstraße Norðausturvegur abkürzt. Wir kannten jedoch den Zustand der 867 nicht. Das Wetter wurde wieder schlechter. Es regnete und Sturm kam auf. An einem kleinen Parkplatz gab es eine Tafel, die darüber informierte, dass die Streckenführung der Küstenstraße 85 geändert wurde. Eine komplett neu gebaute und gut asphaltierte 85 führt südlich der Linie Raufarhöfn–Kópasker und nördlich der 867 quer durchs Land. Nach den letzten Pisten fühlt sich das an, wie auf einer Autobahn. Die alte 85, die der Küste weiter nach Brúsavík folgt, trägt nun die Nummer 870.

Leider wird die alte 867 nicht mehr gepflegt und an der Abzweigung stehen große Sperrschilder. In Anbetracht des schlechter werdenden Wetters sind wir fast schon froh, zügig voran zu kommen und fahren die neu gebaute 85 in Richtung Kópasker und Ásbyrgi.

An der Küste der Grönlandsee angekommen wird der Regen stärker. Wir drehen nach Süden und fahren der Küstenlinie bis zur Mündung des Jökulsá á Fjöllum entlang, dessen breiten Uferbänken wir weiter folgen.

Hólsfjallavegur

Kurz vor der Brücke über den Jökulsá á Fjöllum verlassen wir die 85 und zweigen auf die 864, den Hólsfjallavegur ab. Dieser führt zunächst schnurgerade durch eine Hochebene. Auf der typisch isländischen Waschbrettpiste steht das Wasser in jeder Senke. Der Weg ist etwa eineinhalb Spuren breit. Fahrzeuge sehen wir bei diesem Wetter hier keine. Ein Vorteil des schlechten Wetters: Man muss die wundervolle Landschaft nicht mit so vielen Touristen teilen.

Zunächst zwischen grün-grauen aber sehr kargen Wiesen verlaufend, führt uns die 864 sanft bergauf in immer wüstenähnlichere und steinigere Gebiete, wo wir bald wieder den  Fluss erreichen. Dieser hat sich hier bereits tief in das Land geschnitten.

Nach etwa 23 Kilometern auf der 864 zweigt ein kleiner, vom Regen aufgeweichter Weg in Richtung  Hafragilsfoss ab, dem wir etwa 500 Meter über einen lehmroten Hügel hinweg folgen. Der Weg endet am Abhang, den der unter uns tosende Jökulsá á Fjöllum in das Land gefräst hat. Es lohnt sich, den kleinen Fußweg einige hundert Meter stromab zu folgen. Vom nächsten Hügel hat man einen wundervollen Ausblick auf den Wasserfall Hafragilsfoss.

Zurück auf der 864 fahren wir nach wenigen Kilometern einen weiteren Abzweig. Diesmal zu den Wasserfällen Dettifoss und Selfoss.

Dettifoss

Der Dettifoss, größter Wasserfall Islands nach dem Produkt aus Fallhöhe und Wassermenge, ist beeindruckend, aber auch deutlich stärker besucht als der Hafragilsfoss. Somit kann man den Hafragilsfoss wirklich als kleinen Geheimtipp ansehen. Am Parkplatz des Dettifoss angekommen muss man noch einen einige 100 m langen Fußweg den Hang hinab in Kauf nehmen, steht dann aber quasi direkt an der Abrisskante. Das Wasser stürzt den imposanten Wasserfall hinab und gischtet an der gegenüberliegenden Felsseite hoch hinauf. Bei Sonne gäbe dies sicher einen wundervollen Regenbogen. Beim bewölkten Regenwetter, durch das wir schon den ganzen Tag fahren, nicht. Von hier aus ist es ein Fußweg von weiteren 1,5 km, bis man den kleineren Selfoss erreicht. Es ist schon spät geworden und wir haben noch eine lange Fahrt auf der Waschbrettpiste, der 864, hinunter zur Ringstraße vor uns. Somit verzichten wir auf den Besuch des dritten Wasserfalls und steigen wieder auf die Motorräder.

Mit der richtigen Geschwindigkeit, so bei etwa 65 bis 80 km/h macht die Piste immer mehr Spaß und die Federung der KTM schluckt die Wellenmuster, die bei 30 km/h jede Schraube aus dem Bike rütteln, willig. So überholen wir mehrere Touristen die bei 25 bis 30 km/h gequält in ihren Mietwagen sitzen und kaum vorwärts zu kommen scheinen.
Einen Hügel und eine Kurve weiter sehen wir es: einige Meter neben der Straße liegend reckt ein teuer wirkender SUV uns seinen Unterboden entgegen. Die Insassen stehen bereits daneben und den Damen ist deutlich anzusehen, dass sie frieren. Wir halten, werden aber gleich weiter gewunken, Hilfe sei schon im Anmarsch. Spielereien am Lenkrad verzeiht Island offensichtlich nicht so leicht. Wir fahren mit leicht gezügeltem Tempo weiter. Um Fragen vorzubeugen: nein, wir haben kein Bild von frierenden Frauen neben dem verunglückten SUV gemacht.

Thermalgebiet Hverarönð

Wir erreichen die Ringstraße und biegen nach Westen ab. Es sind noch etwa 90 km bis zu unserer Unterkunft. So schön das Fahren auf Island ist, können auch 90 km zäh werden. Die Ringstraße ist hier gut ausgebaut, aber aller bestens mit einer Landstraße oder Nebenstraße zu vergleichen. Wir fahren entlang wirr rauer Lavalandschaften. Fotopausen machen wir nicht mehr. Bis wir kurz vor Mývatn, dem bekannten Seengebiet, auf das Hochtemperaturgebiet Hverarönð stoßen.

Es gibt einfach zu viel zu sehen, zu viele Stopps. Eigentlich wollten wir durchfahren, um nicht in die Dunkelheit zu geraten. Hverarönð kann man sich jedoch nicht entgehen lassen. Wir halten.

Schwefel liegt in der Luft. Man riecht auch Schwefelwasserstoff. Überall brodelt, gluggert, gurgelt und dampft es. Fasziniert wandern wir über das Gelände. Immer wieder sind Gebiete mit Seilen umzäunt. Hier ist es zu heiß und angeblich zu gefährlich zu treten. Die dünne Erdschicht könne einbrechen. In lediglich 1000 m Tiefe werden hier bereits 200°C gemessen. Wenn man bedenkt, dass überall über Island verstreut solche Thermalgebiete sind und in entlegenen Gegenden niemand ein Seil spannt…

Wir werden im Verlauf unserer Islandreise noch mehr und entlegenere Hochtemperaturgebiete sehen. Für den ersten Tag war Hverarönð jedoch ein Highlight.

Nach einer Pause, die deutlich länger ausgefallen ist, als ursprünglich geplant, machen wir uns wieder auf die Fahrt. Wir durchqueren Mývatn ohne anzuhalten und ohne zu fotografieren. Wir wissen, wir kommen hier nochmal her. Wollte man alle Sehenswürdigkeiten und Naturschauspiele ausreichend würdigen und fotografieren, so würde man wohl niemals ankommen.

Weiter geht es auf der Ringstraße nach Westen. Als wir der N1 folgend links abbiegen und über einen Bergrücken fahren spüren wir den Abendwind, der uns entgegenweht. Es wird kälter. Weit oberhalb des Gefrierpunktes liegen die Temperaturen wohl nicht mehr. Es beginnt bereits zu dämmern als wir unsere Unterkunft erreichen. Ein typisch isländisches Guesthouse.

Die Zimmer im Guesthouse Fossholl, das direkt am Goðafoss Wasserfall liegt, sind gut geheizt. Leicht frierend von Regen und Kälte fühlen sie sich fast wie überheizt an. Wärme ist in Island kein Problem, kommt doch heißes Wasser direkt aus dem Boden. Oft fließt das Warmwasser in stärkerem Strahl aus dem Hahn, als das kalte. Auch typisch isländisch.

Wir sind am ersten Tag etwa 450 km gefahren und davon etwa die Hälfte auf Pisten, auf Schotter und im Regen und die andere Hälfte auf teilweise kleinsten Asphaltsträßchen. Entfernungen hier sind schwer mit denen in den Alpen zu vergleichen, das haben wir gelernt. Wir haben uns eine heiße Dusche und unser Feierabendbierchen verdient und stellen fest, das das isländische Bier wirklich lecker schmeckt.

Ein wirklich einmaliger Tag! Und es war erst unser erster Tag auf Island. Es soll bestimmt noch ein wundervoller und erlebnisreicher Urlaub werden. Mit diesen Gedanken schlafen wir müde von der Reise ein.

Der zweite Tag sollte ebenfalls ein Highlight werden. Ich hoffe Ihr freut Euch schon darauf.
Herzliche Grüße
Euer Friedbert

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